- Norman Mailer: The Executioner´s Song:
Ich war acht Jahre alt, als ich am Küchentisch meiner Großmutter in der Zeitung gelesen habe, dass in einem fernen Land, den USA, jemand für seine Hinrichtung kämpft. Das hat mich tief beeindruckt und beschäftigt. Viele Jahre später habe ich entdeckt, dass jemand ein Buch darüber geschrieben hat – und was für eines! Auf Basis hunderter Interviews zeichnet Norman Mailer das Leben von Gary Gilmore nach, eines Doppelmörders, der nicht jahrzehntelang in der Todeszellenhölle dahinvegetieren wollte. Von Anfang an weiß man, dass Gilmores Brust zerschossen werden wird – und doch kann man das Buch nicht weglegen. Nebenbei beleuchtet Mailer das Europäern schwer verständliche US-Justizsystem und führt einem zwei Dinge vor Augen: den Irrsinn der Todesstrafe – und dass es mir nie gelingen wird, so ein Buch zu schreiben.
- Heimito von Doderer: Die Wasserfälle von Slunj
Doderers letzter Roman ist 10 Jahre ungelesen in meinem Bücherregal gestanden, ohne Grund ist meine Hand immer vorbeigeglitten – ein unverzeihlicher Fehler. In den „Wasserfällen“ folgt Doderer der Industriellenfamilie Clayton, skizziert ironisch-feinsinnig die Gesellschaft der Donaumonarchie in Wien – ein entspanntes Tänzeln auf einem Fundament, das gefährlich bröckelt. Stilistisch ist kaum ein Buch anregender: „Sie sahen das obere Belvedere hingestreckt und bis zu den kleinen Ecktürmen ausgeflügelt in der Sonne, aber der Blick griff nicht daran im übergrellen Licht.“ – das schon auf Seite 2!
- Richard Yates: Revolutionary Road
Ich liebe das große amerikanische Erzählen: Auster, Haruf, Connell, Williams, Wolfe – und immer wieder Yates. Bei ihm verfällt der Lebenstraum durch den leeren Alltag in den rechten Winkeln des Großstadtvororts. Yates ist der beste Dialogschreiber, lässt einen behutsam entdecken, wie sich Entfremdung und Desillusion zwischen Menschen schleichen. Unfassbar, dass dieser Autor wenig bekannt, verarmt und alkoholkrank gestorben ist. Und er hat nur wenige Romane geschrieben – einen pro Jahr habe ich mir einst knapp verordnet.
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Paul Kraker moderiert für Ö1 Nachrichten und Journale, präsentiert ORF-Filmpremieren und arbeitet als Sprecher für TV-Beiträge und Audio Guides.